PARIS GIACHOUSTIDIS

Urlaub in Deutschland

Der Berliner Künstler Paris Giachoustidis malt Bilder zwischen Faszination und Gesellschaftskritik. Sein neuestes Sujet ist die deutsche Urlaubsfotografie – entstanden sind Ansichten, die ebenso ungewöhnlich wie vertraut sind. Es ist eine scheinbar heile Welt, die Paris Giachoustidis in seinen Gemälden auf Papier bringt.

Feinmalerisch und mit leuchtenden Farben vermitteln sie idealtypische, deutsche Urlaubsszenen: Saftig grüne Idyllen, ein strahlend blauer Himmel, lachende Gesichter – doch mittendrin etwas, das da nicht hingehört, das irritiert.

Giachoustidis über Urlaub in Deutschland:

Ich lebe seit Jahren in Deutschland, und ich wollte etwas malen, das mein Publikum hier und ich gemeinsam haben. Jeder liebt Urlaub! Für mich ist darin so viel Schönheit. Es ist vielleicht nicht das spannendste Thema, aber ich habe verstanden, dass es nicht immer darum geht. Gerade in banalen Themen kann ich den Fokus auf meine Malerei lenken.

Paris Giachoustidis, OHNE HANDTUCH AM BERGSEE, 2020, Acrylfarbe auf Papier, 95 x 125 cm

Paris Giachoustidis, OHNE HANDTUCH AM BERGSEE, 2020, Acrylfarbe auf Papier, 95 x 125 cm

Indem Giachoustidis bekannte Bildsujets verwendet, die über Postkarten und Werbekampagnen tradiert und in das kulturelle Gedächtnis eingegangen sind, entfalten die mitunter subtilen Eingriffe des Künstlers in die bestehenden Bildkompositionen ihre Wirkung umso mehr.

Es ist in der Kunst fast schon altmodisch, sich Zeit zu nehmen. Ich mag das. Ich möchte, dass meine Bilder das auch ausstrahlen.

So erscheint selbst der Schwarze Mann auf einer Liegewiese in „OHNE HANDTUCH AM BERGSEE“, obwohl in Deutschland bei weitem als Szene nicht mehr ungewöhnlich, trotz allem irgendwie deplatziert, weil er in den überlieferten Bildtraditionen urdeutscher Urlaubsfotografie keinen Platz – oder eben im bittersüßen Sarkasmus des Künstlers gesprochen, kein Handtuch – hat.

 Paris Giachoustidis, ICH GEHE WANDERN OHNE KOPF, 2020 Acryl auf Papier | 48 x 36 cm

Harmonie & Unruhe

Das Genre einer vermeintlich deutschen Urlaubs- und Lebenskultur, das Giachoustidis in digitalen Medien und Werbungen findet, wird hier ad Absurdum geführt:

Nicht nur in den kompositionellen Manipulationen des Künstlers, sondern auch in ihrer Romantisierung zwingen die Darstellungen zu einer Doppelperspektive – sie changieren zwischen Harmonie und Unruhe.

Sehnsucht und Realität koexistieren.

Ohne dabei zu explizit zu werden, nutzt Giachoustidis sein so deutlich begrenztes Bildthema als Folie für universelle gesellschaftliche Konflikte.

Darstellung, Inhalt und Bildtitel setzen sich zu einem Ganzen zusammen, das verschiedene Perspektiven vereinen kann und keines weiteren
Kommentars bedarf:

Ein Wanderer ohne Kopf, ein Feuer, das ignoriert wird und eine schlichtweg verdrehte Welt – die Bilder sprechen für sich selbst.

Paris Giachoustidis, ICH GEHE WANDERN OHNE KOPF, 2020 Acryl auf Papier | 48 x 36 cm

Perfektion existiert nicht. Mich fasziniert der Moment, in dem sie bricht.

Jedoch nicht nur ein Appell, sondern auch die reine Faszination für deutsche Landschaften kommt in ihnen zum Ausdruck, und die Lust, sich künstlerisch daran abzuarbeiten. Insofern ist die Serie „Urlaub in Deutschland“ nicht nur eine kritische Bestandsaufnahme, sie macht auch Spaß.

Die Stilisierung von Perfektion und Ordnung in den gewählten Kompositionen ist dabei kein stereotypisiertes Bild der deutschen Kultur, sondern ein Element, über das Giachoustidis auch ästhetische Fragestellungen verhandelt.

Worin liegt die Schönheit und die Relevanz figurativer Kunst von heute?

Paris Giachoustidis, URLAUB IN DEUTSCHLAND, 2020 Acryl auf Papier | 96.5 x 125 cm
Paris Giachoustidis, URLAUB IN DEUTSCHLAND, 2020 Acryl auf Papier | 96.5 x 125 cm

Die Antwort des Künstlers scheint eine Verbindung von technischer Qualität, Gesellschaftskritik und ein bisschen Non-Sense zu sein. Auf diese Weise erschafft er Bilder, die den Intellekt und die Lust am Sehen zugleich befriedigen.

Ich bin kein Deutscher. Das ist für meinen Prozess wichtig. Die Distanz hilft mir, die richtigen Bilder zu finden und sie zu zerstören. Da ist keine Angst, keine Zurückhaltung, die ich vielleicht da wäre, wenn ich die griechische Kultur thematisiert hätte.

Paris Giachoustidis, LIFES' PRISMA, 2020, Acryl auf Papier |  62 x 125 cm

Paris Giachoustidis, LIFES‘ PRISMA, 2020, Acryl auf Papier | 62 x 125 cm

Die Gemälde, die er im Januar in einer Einzelausstellung präsentieren wird, sind mutig. Sie machen einen Spagat – in formaler und inhaltlicher Hinsicht – und berühren Themen, die in Deutschland immer noch gerne umgangen werden.

Hier zeigt ein griechischer Künstler, der schon lange in Berlin lebt, wie Nationalstolz, Leichtigkeit und historische Sensibilität auch in Deutschland miteinander vereinbar sind.

Die Einzelausstellung „Urlaub in Deutschland“ mit den Arbeiten von Paris Giachoustidis eröffnet am 16. Januar in der Galerie 68projects in Charlottenburg und läuft bis zum 27. Februar 2021.


Header Image: Paris Giachoustidis, PSYCHEDELISCHES WOCHENENDE, 2020 Acryl auf Papier | Acrylic on paper, 61 x 102 cm

Author: Frederieke Czaja


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