Für das Museum Art.Plus hat sich Stefan Strumbel mit der Berliner Kunst-Journalistin Esther Harrison unter anderem über seinen Findungsprozess, die Symbolik seiner Arbeiten und „das Unsichtbare im Sichtbaren“ unterhalten.
Das Museum Art.Plus in Donaueschingen widmet die letzte 2-RAUM-Ausstellung in diesem Jahr dem Offenburg Künstler Stefan Strumbel, dessen Werke derzeit auch im Osthaus Museum in Hagen zu sehen sind. Wer sich also intensiv in zwei besonderen Häusern mit neuen Arbeiten des international erfolgreichen und fest etablierten Künstlers auseinandersetzen möchte, hat derzeit gleich zweimal die Möglichkeit dazu.
Welche Gerüche verbindest du persönlich mit Heimat?
Ich würde diesen Geruch als Stabilisationseffekt bezeichnen, der sich zahlreich finden lässt. Im abgestandenen Rauch des Kaltlochzimmers im „Hotel Zauberflöte“, im Aroma eines guten badischen Weines, im feuchten Unterholz des Schwarzwaldes oder beim gemeinsamen Mittagessen mit Familie und Freunden.
Und glaubst du daran, dass es sich hier sogar um einen molekularen Zustand handeln kann? Denn das Konzept, aber eben auch das Gefühl, das jeder Mensch in Verbindung mit Heimat kennt, scheint etwas zu sein, das uns alle verbindet.
Ja, davon bin ich überzeugt. Um Bertolt Brecht zu paraphrasieren, Heimat ist ein lachendes Kindergesicht, dieser heitere und unbeschwerte Moment, jener Augenblick des Sich-selbst-genug-Seins in der Geborgenheit von wertfrei liebenden Menschen.
Dann würde mich auch interessieren, wie die Ideenfindung, das Erarbeiten des Objekts bei Stefan Strumbel entsteht. Erzähle uns bitte etwas über deinen Findungs- und Ideenprozess.
Dem Findungsprozess gehen selbstverlorene Spaziergänge im Schwarzwald voraus. Die Ideen werden dann in Gesprächen mit Freunden und Kollegen vertieft, hinterfragt, verworfen oder realisieren sich in meinem Kopf. Sie sind Teil des Schöpfungsprozesses und dienen als gesundes Regulativ.
Was kommt nach der sehr universellen, gleichzeitig sehr subtilen Symbolik deiner aktuellen Skulpturen aus Luftpolsterfolie, die damit im starken Kontrast zu den plakativen Kuckucksuhren stehen?
Im Moment arbeite ich an der Weiterentwicklung meiner gegenstandslosen Lupo-Arbeiten in Form von großformatigen Abstraktionen mit ganz minimalen Verweisen zum Lupo. Was sich vorher im seriellen Motiv des Lupos fand, findet jetzt seine fast vollständige Auflösung in Farbräumen. Die diskursive Thematisierung des Schützenswerten erfährt eine ganz neue künstlerische Umsetzung.
Ich frage mich, inwieweit sich die Heimat-Thematik visuell und auch konzeptuell weiter zuspitzen lässt (und muss es dies überhaupt?) im Hinblick auf den Rechtsruck und das, was uns erwartet, wenn nicht ein Wunder geschieht, platt ausgedrückt. Das gilt ja nicht nur für Deutschland und Europa, sondern auch für Länder wie die USA oder Brasilien. Auch ob sich das Thema dann überhaupt noch aushalten lässt vor so einer politischen Realität?
Kunst ist mir ein Mittel, Nähe und Vertrautheit zur Wirklichkeit herzustellen, sie zu befragen, zu erforschen und so auf Entdeckungsreise zu gehen, um hinter die Masken und Fassaden der äußeren Dingwelt zu schauen und im Bild noch Unbekanntes, Unbewusstes möglichst unverstellt zur Anschauung zu bringen. Mein Heimatbegriff dient ja auch nicht als Projektionsfläche einer heilen Welt für Nationalisten. Dieser Hölle stelle ich mit meinen Arbeiten ja die Utopie einer gemeinsamen Welt ohne Grenzen entgegen.
Und wo siehst du die Rolle der Kunst und für Dich als Künstler in einer populistischen Welt, die zunehmend nur noch in Schwarz und Weiß, Gut und Böse einteilt?
Kunst ist für mich eine Form des geistigen Sich-in-Beziehung-Setzens oder des Sich-selbst-Verantwortens. Das Talent eines Künstlers liegt vielleicht darin, künstlerische Fragen zu entdecken, auf die es möglicherweise Antworten gibt. Die neuen abstrakten Malereien mit ihren minimalen Verweisen und Eingriffen durch Lupoprints dienen als Folien für alles Seelische, „das Unsichtbare im Sichtbaren“, wie Immanuel Kant sagte, für alles was es zu schützen gilt. Freiheit, künstlerische Freiheit, heißt Verantwortung übernehmen für das, was wir als schützenswert bezeichnen, den Raum, den Körper, die Idee, das Gefühl oder den Gedanken.
Mir fällt dazu auch immer wieder das Wort Apokalypse ein, wenn ich in diesem Zusammenhang an deine Arbeiten denke. Wie könnte eine Heimat-Apokalypse-Skulptur made by Strumbel aussehen?
Oh nein, bitte nicht! Genau das Gegenteil sollen meine Arbeiten ausdrücken und vermitteln. Eine Arbeit zu dem Thema Apokalypse müsste mit Ausgrenzungen arbeiten, aber in meinen Arbeiten zitiere ich genau das Gegenteil.
Das Museum Art Plus hat ja eine ganz fantastische Sammlung, unter anderem den „The Church“-Raum, wie der Soulages-Raum unter Fans schon genannt wird. Worauf freust du Dich in diesem Rahmen besonders?
Ich freue mich natürlich sehr, meine Arbeiten in einem dialektischen und semantischen Verhältnis zur großartigen Sammlung des Museum Art.Plus zu sehen. Ich bin gespannt auf die Wechselwirkungen meiner großen Skulptur im spannungsreichen Spiegelsaal des Museums.
Und wie bewertest du grundsätzlich Ausstellungen in der „Heimat“ im Vergleich zu internationalen Messen oder Shows? Gibt es hier für Dich vom Gefühl her einen Unterschied?
Ich gehe an jede Ausstellung mit der gleichen Ernsthaftigkeit heran. Es muss für mich eine inhaltliche Notwendigkeit für eine Ausstellung geben, sonst macht sie für mich keinen Sinn. Mein Ziel besteht jedes Mal darin, einen Präsentationsrahmen zu entwickeln, der sich selbstreflexiv auf die Kontexte bezieht, aus denen die Kunstwerke hervorgehen, wie auch auf die neuen Zusammenhänge, die von bzw. in der Ausstellung artikuliert werden.
Und wie geht es ansonsten weiter bei Dir?
Im November eröffnete noch eine große Einzelausstellung im Osthaus-Museum in Hagen mit einem Großteil neuer Arbeiten. Parallel dazu arbeite ich an einem neuen Werksverzeichnis und im Juni 2019 eröffnet eine große Ausstellung meiner Arbeiten in Köln.
Stefan Strumbel im 2-RAUM des Museum Art.Plus
Laufzeit: 18. November 2018 – 24. März 2019 (Hinweis: vom 21.01. – 16. 02. 2019 ist das Museum wegen Ausstellungswechsels geschlossen)
MUSEUM ART.PLUS
Museumsweg 1, 78166 Donaueschingen
Öffnungszeiten: Mi-Fr 13-17 Uhr, Sa-So und an Feiertagen 11-17 Uhr, jeden ersten Do im Monat 13-20 Uhr, Mo-Di geschlossen (außer an Feiertagen)
www.museum-art-plus.com
Stefan Strumbel – In every tear there is hope
im Osthaus Museum Hagen
Laufzeit: 11.11.2018 – 06.01.2019
www.osthausmuseum.de
Über Stefan Strumbel:
* 1979 lebt und arbeitet in Offenburg / lives and works in Offenburg
https://www.stefanstrumbel.de/
https://www.instagram.com/stefan_strumbel/
https://www.facebook.com/stefanstrumbel/