MAREN KATERBAU

Hemsby, ein Untergang in Zeitlupe

Maren Katerbau, HEMSBY, 2019
Maren Katerbau, HEMSBY, 2019

Stell Dir vor du bist ein Teenager und das Dorf an der Küste in dem du und deine Familie seit Generationen leben, versinkt Stück für Stück im Meer. Es sind eindrückliche Portraits wie diese die in der melancholischen und beklemmenden Serie HEMSBY der Fotografin Maren Katerbau im Projektraum DIA in München ab dem 14. Februar zu sehen gibt.

Hemsby liegt an der Küste Norfolks in Großbritannien und gehört damit zu den Orten für die der Klimawandel „schon“ heute eine unleugbare Realität und Bedrohung darstellt. Der steigende Meeresspiegel und die in den letzten Jahren stark zugenommenen Sturmfluten, „Beast from the East“ wie sie die Dorfbewohner nennen sind direkte Folgen des Klimawandels.

Maren Katerbau, HEMSBY, 2019
Maren Katerbau, HEMSBY, 2019

Beim Ansehen der Fotografien fühlt man sich wie ein Zuschauer im Theater, die Bild Kompositionen erinnern durch den Horizont stark an Kulissen, es ist wie ein Drama in Zeitlupe und in vier Akten das sich vor unseren Augen abspielt. Die Protagonisten sind in dem Stück gefangen, stumm, starr, aber auch stur.

Wir haben mit Maren über HEMSBY und ihre Bewohner gesprochen.

Der Weg nach Hemsby

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In deiner Serie HEMSBY hast du in einem Dorf, dass durch den Klimawandel langsam, aber sicher versinkt an der Küste Norfolks fotografiert.

Wie kam es dazu?

Architektur bzw. Topographie, Geschichte, Politik, Kultur und menschliches
Zusammenleben interessieren mich sehr.

Schon vor vielen Jahren habe ich begonnen, Orte und deren Bewohner mit Fotografie zu beschreiben.

Architektur und Fotografie gehöRen für mich unweigerlich zusammen und haben beide die Fähigkeit, historische bzw. politische Gegebenheiten widerzuspiegeln als auch kulturelles Erbe zu bewahren.

Ende 2018 erzählte mir ein in London lebender Freund von der Situation in Hemsby.

Schnell wurde mir klar, dass ich dort hinreisen und das langsam verschwindende Dorf fotografieren muss.

Wie bist du denn ursprünglich zur Fotografie gekommen?

Vor ungefähr 23 Jahren habe ich in der Dunkelkammer meinen ersten, eigenen Schwarz-Weiß-Film entwickelt. Danach war mir sofort klar, dass ich Fotografin sein möchte.

Bitte erzähle uns bitte wie du mit den Bewohnern ins Gespräch gekommen bist, und was Deine Eindrücke waren.

Zunächst habe ich begonnen die Architektur und die Landschaft zu fotografieren. Dabei bin ich wiederholt durch das Dorf Hemsby gegangen und konnte mir so ein umfangreiches Bild von der dortigen Situation und den Folgen der Küstenerosion machen.

Nach einigen Tagen habe ich an Türen geklopft oder Menschen auf der Straße gebeten, mir ihre Geschichte zu erzählen und sich von mir portraitieren zu lassen.

Maren Katerbau, HEMSBY, 2019
Maren Katerbau, HEMSBY, 2019

Was bleibt von Hemsby?

MAREN KATERBAU 3

Der Küste Norfolks und die Problematik der Küstenerosion wird in England bisher wenig Beachtung geschenkt und es fehlt massiv an Unterstützung.

Bei einem erwarteten Anstieg des Meeresspiegels um etwa einen Meter in den kommenden Jahrzehnten, wollen die zuständigen Behörden aufgrund der hohen Kosten nicht mehr in den Hochwasserschutz investieren.

Eine Umsiedlung der Bewohner würden sie jedoch unterstützen.

Die Immobilienpreise in Hemsby sind angesichts der düsteren Zukunftsperspektive zunehmend gesunken.

Wer jetzt verkauft, erzielt kaum noch einen angebrachten Erlös.

Die Bewohner Hemsby’s möchten jedoch in ihrem Dorf nicht nur alt werden, sondern ihre Häuser und Grundstücke auch vererben können.

Maren Katerbau, HEMSBY, 2019

Somit steht für viele Einwohner nicht nur die Altersabsicherung auf dem Spiel, auch die Zukunft der Jugend bzw. des Dorfes droht die Ungewissheit.

Maren Katerbau, HEMSBY, 2019
Maren Katerbau, HEMSBY, 2019

Denkst Du noch an Hemsby, also jetzt wo du wieder zu Hause bist?

Ja, sicher. Zu einigen von mir dort portraitierten Menschen habe ich bis heute Kontakt. Ein Küstenschutzsystem konnte aus Mangel an finanziellen Mitteln bis heute nicht gebaut werden.

Nachdem in den letzten Jahren regelmäßig Sturmfluten zahlreiche Meter des sandigen Klippenrandes weggerissen haben, sind bereits schon etliche Häuser im Meer versunken.

Aufgrund des Klimawandels und des dadurch steigenden Meeresspiegels, kommt es in Hemsby fortschreitend zur Küstenerosion.

Die Heimat und die wirtschaftliche Grundlage der ca. 4000 vom Tourismus lebenden Dorfbewohner wird so sukzessive weggespült.

Die Sorge um die Bewohner in der wirtschaftlich schlecht aufgestellten Gegend bleibt.

Für sie könnte Hemsby nur noch ein Zuhause auf Zeit sein.

Maren Katerbau, HEMSBY, 2019
Maren Katerbau, HEMSBY, 2019


Auch überprüfe ich noch engmaschiger mein eigenes, die Umwelt betreffendes Handeln und bin mir diesbezüglich wiederkehrend meiner Verantwortung bewusst geworden.

Würdest Du dich als spirituell bezeichnen, fließt das in irgendeiner Form in deine Arbeit mit ein?

Ich gehe davon aus, dass alle Menschen in irgendeiner Art miteinander verbunden sind und weitgreifend gedacht, auch den gleichen Herkunftsort haben.

Diese Haltung oder auch dieses Gefühl von Verbundenheit, fließt ständig in meine fotografische Arbeit ein.

Maren Katerbau, HEMSBY, 2019
Maren Katerbau, HEMSBY, 2019

Wie siehst Du deine Rolle als Fotografin und Künstlerin wenn es darum geht aktiv zu werden in Bezug auf den Klimawandel?

Positiv oder pessimistisch?

Den Klimawandel kann ich allein mit meiner Arbeit als Fotografin sicherlich nicht aufhalten. Aber ich kann ihn sichtbar machen und dadurch auf Veränderungen in der Gesellschaft hoffen.

Dieser Aspekt stimmt mich positiv.

Epilog: Kurz vor der Veröffentlichung dieses Interviews bekommt Maren Katerbau von einem der Dorfbewohner mit dem sie noch in Kontakt ist, einem pensionierten, ehemaligen Soldat einen aktuellen Zeitungsartikel zugeschickt.

(Sturm Chiara erreichte mit starken Regenfällen und Windböen von bis zu 145 km vor einigen Tagen Großbritannien).

Es ist ein Bericht über seinen Kampf das Haus in dem er seinen Lebensabend verbringen möchte vor den Fluten zu retten.

Headline: „LAST MAN STANDING“

Maren Katerbau – HEMSBY

VERNISSAGE 14.02.2020, 19 Uhr

AUSSTELLUNG: 15.02. – 06.03.2020

DIA Raum für Kunst | Georgenstrasse 72 | 80799 München

About Maren Katerbau:

Maren Katerbau ist Fotografin in Berlin und Stuttgart. Ihre Arbeit konzentriert sich auf Porträt, Architektur und visuelles Geschichtenerzählen. Sie hat an der Fachhochschule Bielefeld, der Zürcher Hochschule der Künste und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg studiert und die Meisterklasse bei Ute Mahler & Ingo Taubhorn an der Hochschule für Fotografie Ostkreuz in Berlin abgeschlossen.

Author: Esther Harrison