HELGA SCHMIDHUBER

Die Alchemie der HELGA SCHMIDHUBER

Helga Schmidhuber, o.T. aus der Serie „Felle", 2017, photo credit: Holger Schmidhuber
Helga Schmidhuber, o.T. aus der Serie „Felle“, 2017, photo credit: Holger Schmidhuber

Der diesjährige Hans Platschek Preis, der seit 10 Jahren auf der art KARLSRUHE – Klassische Moderne und Gegenwartskunst verliehen wird, Preisträger waren unter anderen Monica Bonvicini oder Jonathan Meese, geht in 2020 an Helga Schmidhuber.

Magie und Ritual bilden feste Bestandteile in Helga Schmidhubers Werken. Wer will und in der Lage ist kann eine sehr konzentrierte Schwingung wahrnehmen, die von ihnen ausgeht. Seien es ihre verzauberten Buchtitel oder ihre schamanischen Mini-Wunderkammer-Voodoo-Kästen oder die „Wünschel“, die eine starke, fast haptische Präsenz ausstrahlen. Ich habe lange überlegt was es genau ist oder wie ich eben diese Präsenz in Helgas Arbeiten beschreiben soll, die ich bisher immer einfach als selbstverständlich wahrgenommen habe.

Als hätten sie alle ein extra Molekül hinzugefügt bekommen.

Das Wort Alchemie ist eines das immer wieder hängen bleibt, also die Lehre von den Eigenschaften der Stoffe und ihren Reaktionen ab dem 1./2. Jahrhundert. Auch Helga Schmidhuber selbst ist es unmöglich ihren Arbeitsprozess zu beschreiben, sie sagt sie geht in ihr Atelier, macht die Tür zu und versinkt.

Obwohl ich Helga seit vier Jahren kenne, habe ich erst in diesem Gespräch erfahren das sie Synästhetin* ist und plötzlich ergibt alles einen Sinn!

Helga Schmidhuber, o.T. aus „Wenig Zeit zwischen zwei Fingern”, 2017, photo credit: Marcus Michaelis
Helga Schmidhuber, o.T. aus „Wenig Zeit zwischen zwei Fingern”, 2017, photo credit: Marcus Michaelis

Aber von Anfang an.

Meine liebste Erinnerung die ich für immer mit Helgas instinktiver, ja manchmal fast nachtwandlerischer Art zu arbeiten verbinde, ist aus dem Jahr 2017 in Bad Gastein, als sie eine riesige Wünschelrute aus dem Wasserfall gezogen hat und damit die weibliche Marmor Statue die in einem gläsernen Kasten vor dem Wasserkraftwerk steht,

nicht nur in ihrer Optik und der Wahrnehmung der Besucher komplett verändert hat, sondern damit auch eine Brücke zu ihr schuf.

Mir kam es damals vor wie eine Berührung von wild geformter Natur und Leben aus Gegenwart und Vergangenheit die zu dieser stummen Zeugin, deren weißer Marmor durch den Glaskasten hermetisch geschützt vor Wettereinflüssen vor sich hin strahlt, vordrang.

Die Statue von Josef Thorak wurde in den 50er Jahren als Hüterin der Gasteiner Quelle aufgestellt.

Wasserfall am Kraftwerk in Bad Gastein, SommerfrischeKunst 2017, photo credit: Esther Harrison

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Die Wünschel

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Was war da damals los Helga?

Die große Marmor-Skulptur der „Schönen Frau“ oder „Gastuna”- wie die Einheimischen von der Statue in Bad Gastein sprechen – stammt von Josef Thorak, der neben Breker zu Hitlers populärsten Bildhauern im dritten Reich zählte.

Bei diesem „Wünschel” handelt es sich um ein riesiges Stück Treibholz, welches ich mit Hilfe zweier Kollegen während des Stipendiums der SommerFrischeKunst 2017 intuitiv aus dem Flussbett des Wasserfalls unter des Kraftwerks gezogen habe.

Es ging mir darum mit dem ca. 3 Meter großen „Wünschel” die Scham der etwas pornografisch anmutenden Monumental-Skulptur zu verdecken.

Helga Schmidhuber, o.T. aus der Serie „Wünschel“ vor Gastuna von Thorak, Bad Gastein 2017, photo credit: Holger Schmidhuber

Wo und wie hast du angefangen hast diese Holz Elemente in deine Praxis, ja einzuweben?

Das mache ich scheinbar schon länger als ich es zeitlich festmachen kann. Den „Wünschel” liegen allerdings zwei direkte Erlebnisse zu Grunde:
Zum einen ein großer Waldbrand ganz in der Nähe des von mir heißbeliebten Kunstzentrums CCA in Andratx auf Mallorca.

Dort habe ich ein halbes Jahr später beim Klettern eine perfekt symmetrische Wünschelrute aus der verkohlten Asche gezogen.

Rund herum haben im tiefen Schwarz Orchideen geblüht und Palmen-Sprossen wild grün geleuchtet. Das hat mich sehr glücklich gemacht, nachdem der ganze Wald verbrannt war.

Helga Schmidhuber, o.T. , aus der Serie „Wünschel“, 2017, Photo credit:  Marcus Michaelis

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Das zweite Erlebnis war ein Tornado, den ich live zu Hause mit Freunden 2014 erlebte. Dabei sind in zwei Minuten ca. 1000 uralte Bäume in der unmittelbarer Nähe unseres Hauses umgefallen. Auch mein Garten war betroffen. War kurz unter Schock.

Danach habe ich ich intuitiv angefangen, die Astgabeln zu sammeln.

Die Synästhesie

Helga Schmidhuber, Atelieransicht, SommerFrischeKunst, 2017, Photo credit: Holger Schmidhuber
Helga Schmidhuber, Atelieransicht, SommerFrischeKunst, 2017, Photo credit: Holger Schmidhuber

Welches dieser Elemente (Raum, Luft, Feuer, Wasser, Erde) würdest du in Bezug auf deine Arbeit und dich selbst wählen und warum?

Bin Synästhetin und verknüpfe in meiner Wahrnehmung sowieso mehrere Elemente wie Sound, Geruch und Farbe. Deshalb liegen mir erstmal alle Elemente.

Mag allerdings am liebsten das Wasser. Male auch gerade eine Serie zum Thema Inseln namens „Petrichor – subconcious”. Da bin ich gedanklich sowohl unter und über Wasser.

Die neuesten Malereien werden auf der Art Karlsruhe auf dem Stand der Hans Platschek Stiftung gleich im Februar zu sehen sein.

Helga Schmidhuber, o.T. aus „Wenig Zeit zwischen zwei Fingern”, 2017, photo credit: Marcus Michaelis
Helga Schmidhuber, o.T. aus „Wenig Zeit zwischen zwei Fingern”, 2017, photo credit: Marcus Michaelis

„Synästhesie ist ein Luxus; eine Spielart der Evolution, die es dem Bewusstsein erlaubt, durch die Verknüpfung der Sinne und die Kopplung mit Gefühlen mehr Informationen zu generieren. Wissenschaftliche Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren haben nachgewiesen, dass Synästhetiker ein komplexer vernetztes Gehirn haben.“

– Markus Zedler 2019

Die Meisterschülerin

Du hast bei Albert Oehlen studiert, bist seine Meisterschülerin. Kannst Du benennen oder beschreiben wie sein Ansatz war mit Euch Studenten zu arbeiten und was du daraus konkret mitgenommen hast?

Als ich in Düsseldorf studierte, hatte ich schon lange gemalt, zwei Ateliergemeinschaften hinter mir und einen Kunstverein namens „Sabines Wursthaus” am Wiesbadener Schlachthof gegründet.

Allgemein sind an der Akademie einige wichtige Freundschaften entstanden, die bis heute anhalten und zu großartigen Ausstellungsprojekten in Wien, Berlin und Wiesbaden geführt haben.


In Alberts Klasse wurde viel diskutiert über Kunst & Musik.

Gemeinschaftsarbeiten zum Rundgang wurden angeordnet, was mir damals überhaupt nicht gepasst hatte. Erst im Nachhinein verstehe ich die Idee dahinter.


Ausstellungen gemeinsam ansehen und diese diskutieren. Auch wurden interessante Künstler zum Talk in die Klasse eingeladen. Es ging um Diskussion.
Wie weit das Einfluss auf meine Arbeit hat kann und will ich nich einschätzen.

Es hat sich einfach richtig angefühlt! Intuition!

Die Zukunft

Helga Schmidhuber, o.T. aus der Serie „Buben", 2018, photo credit: Marcus Michaelis
Helga Schmidhuber, o.T. aus der Serie „Buben“, 2018, photo credit: Marcus Michaelis

Was liest du gerade? Das interessiert uns ja immer sehr und bei Dir ganz besonders!  

Wie immer lese ich einiges zeitgleich. Mag folgendes:

Sibylle Berg: „GRM”
Cord Riechelmann: „Krähen”
Michel Houellebecq: „Unterwerfung”
Gerald Hüther „Männer – das schwache Geschlecht und sein Gehirn”

Du bist kürzlich mit dem Hans Platschek Preis ausgezeichnet worden, was passiert als nächstes und wie fühlt sich das an?

Den Hans Platschek Preis für Kunst und Schrift werde ich am 13. Februar auf der art KARLSRUHE verliehen bekommen. Freue mich sehr über diese Auszeichnung zumal Dr. Alexander Klar, Direktor der Kunsthalle Hamburg, als Juror spontan und mich direkt als Preisträgerin ausgewählt hat.

Bis dahin habe ich noch einiges zu tun, da die Preisverleihung mit einem riesigen Messestand verbunden ist, in der meine Werke denen des Stifters gegenüber gestellt werden.

Helga Schmidhuber, Installationsansicht „Does Voodoo work? II", Frankfurter Kunstverein, 2015, photo credit: Holger Schmidhuber
Helga Schmidhuber, Installationsansicht „Does Voodoo work? II“, Frankfurter Kunstverein, 2015,
photo credit: Holger Schmidhuber

Wenn du etwas in der Kunstwelt ändern könntest, was wäre das?

Wünsche mir, daß die wirklich starken künstlerischen Positionen die Öffentlichkeit bekommen, die sie verdienen.

Was bedeutet Dir die Kunst?

Kunst – und speziell die Sparte der Malerei – scheint mir unendlich vielfältig. Deswegen gibt es noch wahnsinnig viele Ideen, die ich weiterspinnen möchte.

Diese Disziplin wird mir niemals langweilig werden; bin und werde immer neugierig sein und bleiben.

In der Malerei gibt es noch viel zu tun für mich.

Helga Schmidhuber auf der art KARLSRUHE

Die öffentliche Preis­ver­leih­ung findet statt am Donner­stag,
den 13. Februar 2020 um 17:00 Uhr

art KARLSRUHE: 13. – 16. Februar

Mehr über Helga Schmidhuber hier!

Author: Esther Harrison